Warum Wesentlichkeitsanalysen für Unternehmen so wichtig sind

Das Feld der Nachhaltigkeit ist riesig und eine der grössten Herausforderungen ist die Frage, wo man eigentlich beginnt. Ohne Ziel draufloszulaufen, ist selten effizient und verschenkt im Zweifel sogar noch wertvolle Zeit. Daher ist es wichtig zu verstehen, welche Dimensionen für das eigene Unternehmen und (externe) Stakeholder relevant sind, um im Anschluss gezielt Initiative zu ergreifen. Ein hilfreiches Instrument ist die Wesentlichkeitsanalyse, womit wir uns in diesem Artikel befassen wollen.

March 15, 2022

Was ist eine Wesentlichkeitsanalyse?

Die Wesentlichkeitsanalyse stellt eine Methode dar, um relevante und bedeutende Themen und Erwartungen interner sowie externer Interessensgruppen (Stakeholder) zu identifizieren und zu bewerten. Alternativ wird die Wesentlichkeitsanalyse auch gerne Materialitätsanalyse, aus dem Englischen "Materiality Analysis", genannt. Obwohl die Methode bisher noch relativ unbekannt war, liefert sie ein tolles Werkzeug, um relativ einfach und strukturiert an wesentliche Erkenntnisse zu gelangen. Ausserhalb von Jahresabschlüssen und finanzieller Betrachtung, bietet sich eine Wesentlichkeitsanalyse auch insbesondere in der Bewertung von ökologischen, sozialen und (nicht-finanziellen) ökonomischen Dimensionen an. Dazu zählen Kennzahlen und Tätigkeiten wie Umweltschutz, Emissionen und Wassernutzung, aber auch Arbeitsverhältnisse, Korruptionsvermeidung und Datenschutz.

Die Herangehensweise der Wesentlichkeitsanalyse ist nicht formal festgeschrieben, dennoch sollte man bestimmten Regeln folgen und die richtigen Parteien einbinden, ohne dabei Interessenskonflikte aus dem Auge zu verlieren. Doch das Ergebnis ist klar: die Wesentlichkeitsanalyse bietet einen klaren Überblick über die Chancen und Risiken, Erwartungen und wesentlichen (nachhaltigen) Themen - sowohl aus interner Perspektive, als auch aus der Sicht externer Parteien. Zusammengenommen erhält man so ein ganzheitliches Bild der eigenen Wesentlichkeit und kann dies zum Beispiel in einer Wesentlichkeitsmatrix darstellen.

Wann sollte ich eine Wesentlichkeitsanalyse machen? Ist mein Unternehmen dafür geeignet? 

Generell gilt, dass die Identifizierung und Bewertung relevanter Kriterien für Unternehmen aller Grössen, Herkunft und Industrie geeignet und sinnvoll ist. Zur besseren Betrachtung von Chancen und Risiken ist die Methode der Wesentlichkeitsanalyse nicht mehr wegzudenken. Auch kommunikativ ist sie ein starkes Instrument, um eine Nachricht - und damit eine Absicht - klar und verständlich zu vermitteln. Internationale Organisationen, wie das Sustainability Accounting Standards Board (SASB), bieten auch online bereits industriespezifische Hilfsmittel zur Identifizierung wesentlicher Themengebiete an.

Es gibt unterschiedliche Zeitpunkte, in denen es Sinn ergeben kann, eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Im Kontext der Nachhaltigkeit, sind passende Momente beispielsweise die Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts, die Erfüllung von Kundenanfragen oder die Vorbereitung auf neue Gesetzgebung. Insbesondere neue Richtlinien (unser Artikel zu neuen Anforderungen in 2022) zur Berichterstattung nachhaltiger Kennzahlen, Gesetzte wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und CSR-Rahmenwerke (GRI - Global Reporting Initiative, DNK - Deutscher Nachhaltigkeitskodex, und weitere), werden das Bedürfnis nach belastbaren Wesentlichkeitsanalysen erhöhen.

Verpflichtend ist eine Wesentlichkeitsanalyse jedoch bisher nur für grosse Konzerne und kapitalmarktorientierte Unternehmen im Rahmen der CSR-Richtlinie von 2014. Dennoch ist zu erwarten, dass die Anforderungen der Prüfung eigener Wesentlichkeitsfelder in den kommenden Monaten und Jahren steigen wird. Auch im Rahmen von ISO-Normen und Zertifikaten spielen die Betrachtung und Einbindung der eigenen Wesentlichkeit eine vermehrt wachsende Rolle.

Wie genau funktioniert eine Analyse der wesentlichen Themen meines Unternehmens? 

Vereinfacht ausgedrückt, soll die Wesentlichkeitsanalyse die Fragen "Wie gross ist die Auswirkung eines Nachhaltigkeitsaspekts auf mein Unternehmen?" und "Welchen Einfluss hat der gleiche Aspekt auf meine Stakeholder?" beantworten. Wie bereits beschrieben, gibt es keine formal festgelegte Definition, wie eine Wesentlichkeitsanalyse ablaufen muss. Dennoch haben sich über die letzten Jahre gewisse Richtlinien etabliert, die im Folgenden als Weisung dienen sollen: 

  1. Definition der unternehmensinternen Personen, die für die Wesentlichkeitsanalyse einbezogen werden sollen
  2. Sammlung aller Themen, die sowohl intern als auch extern nachhaltige Relevanz besitzen
  3. Auswahl der Themen, welche für die Wesentlichkeitsanalyse näher betrachtet und bewertet werden sollen; wir empfehlen mit ca. 8 - 15 Themen zu starten
  4. Festlegung der Interessensgruppen (Stakeholder), die in die Analyse einbezogen werden sollen
  5. Erstellung einer Bewertungslogik (zum Beispiel: Score 1 - 5) und Bewertung der einzelnen Dimensionen
  6. Optional: Mögliche Einbeziehung unternehmensfremder Personen zur besseren Bewertung externer Interessen
  7. Darstellung des Ergebnisses in einer Wesentlichkeitsmatrix

Ob und wie tief unterschiedliche Stakeholder eingebunden werden, hängt davon ab, inwiefern ihr Unternehmen direkten Einfluss auf die jeweilige Partei ausübt oder die Partei einen Einfluss auf ihre Tätigkeiten hat. Das Ergebnis kann je nach Branche, Unternehmensgrösse, Produkt oder Dienstleistung und Betrachtungsweise unterschiedlich ausfallen. Umso wichtiger ist es daher, den Prozess gut zu definieren und Erläuterungen zu dokumentieren. Essentiell ist ausserdem dabei die Auswahl der Themen, welche sich gut anhand der ESG-Kategorien (Environmental, Social, Governance) ordnen lassen. Mögliche Beispiele solcher Themen:

  • Umwelt: Emissionen, Wasserverbrauch, Artenvielfalt, Entsorgung, Energieverbrauch
  • Soziales: Arbeitsbedingungen, Lohngefälle, Arbeitssicherheit, Zwangsarbeit, Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Unternehmensführung: Lieferketten, Korruption, Regulatorik, Rohstoffbeschaffung, Wettbewerbsverhalten

Es ist hilfreich dabei die Themen in interne und externe Dimensionen zu unterteilen. So kann internes Personal gezielt zu Themen wie Produktion, Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsmassnahmen befragt werden, während externe Parteien beispielsweise in den Bereichen Klimaschutz, Rohstoffverbrauch, Korruption und Datensicherheit ein besonderes Interesse haben könnten.

Beispiel einer Wesentlichkeitsmatrix auf Deutsch
Beispiel einer Wesentlichkeitsmatrix aus einem Nachhaltigkeitsbericht

Visuelle Darstellung der Ergebnisse mithilfe einer Wesentlichkeitsmatrix

Die Erstellung einer Wesentlichkeitsmatrix ist eigentlich recht simpel. Auf einem zweidimensionalen Koordinatensystem werden die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsthemen je nach Bewertung platziert. Auf der X-Achse findet man dabei die jeweilige Auswirkung einer Dimension: je weiter ein Punkt, beispielsweise Energieverbrauch, rechts liegt, desto höher sind die Auswirkung, oder anders ausgedrückt der "Impact", auf die Organisation. Auf der Y-Achse hingegen befindet sich die Bewertung der jeweiligen Relevanz für Stakeholder: je höher ein Punkt dargestellt wird, desto relevanter ist dieser für (externe) Interessensgruppen. So platziert man alle definierten nachhaltigen Themen basierend auf dem gewählten Bewertungsschema. Das Ergebnis ist eine Darstellung, bei welcher alle Punkte im oberen, rechten Quadranten am relevantesten sind. Implizit geht daraus hervor, dass man Themen die weiter oben und rechts liegen, bei Diskussionen und geplanten Handlungen priorisieren sollte.

Insgesamt ist das Ziel der visuellen Darstellung einer Wesentlichkeitsmatrix, dass intuitiv erkennbar wird, welche Themengebiete für das eigenen Unternehmen und für Stakeholder am relevantesten sind - ausserdem können mögliche Zielkonflikte konkreter hinterfragt werden. Die Betrachtung der Wesentlichkeitsmatrix ist auch über einen gewissen Zeitraum hinweg spannend: durch neue Gesetzgebung, Druck aus dem Markt oder neuen Forderungen der Mitarbeitenden, können sich Dimensionen bewegen und an Relevanz gewinnen bzw. verlieren. Eine visuelle Darstellung dieser Verschiebungen ist in Matrixform möglich und verdeutlicht die Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens.

Fazit: eine Wesentlichkeitsanalyse ist ein Muss für alle Unternehmen

Unabhängig davon, ob für die nächste Nachhaltigkeitsstrategie, ISO-Zertifizierungen oder ESG-Berichterstattung, die Wesentlichkeitsanalyse ist unersetzlich bei der Betrachtung relevanter Themen und deren interner sowie externer Auswirkungen. Wie anfangs beschrieben, ist es noch immer eine Herausforderung, zielgerichtet und effizient nachhaltige Handlungen in die Wege zu leiten. Die Wesentlichkeitsanalyse dient hierbei als wertvolles Instrument, eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen, Entscheidungen zu treffen und letztendlich auch glaubwürdig seinen Interessensgruppen gegenüber kommunizieren zu können. Gleichzeitig stärkt der gemeinsame Austausch die Beziehungen mit externen Parteien und ermöglicht, gezielte Massnahmen mit ökologischer, sozialer und ökonomischer Motivation zu ergreifen und Win-Win Situationen zu schaffen.

Sie finden das Thema der Wesentlichkeitsanalyse spannend?

Gerne unterstützen wir Sie bei der Umsetzung einer Wesentlichkeitsanalyse. Neben individuellen Workshops, bieten wir mithilfe unsere Codio Impact Plattform auch eine technische Unterstützung zur intuitiven Umsetzung einer Auswertung der wesentlichen Aspekte Ihres Unternehmens. Dabei gehen wir nicht nur auf interne Bewertungskriterien, sondern ebenfalls auf externe Parteien und Anspruchsgruppen ein. Falls Sie mehr erfahren möchten, kontaktieren Sie uns hier.